Zeitgeschichtlicher Hintergrund
In das Jahr 1949, dem Gründungsjahr der Heimbaugenossenschaft, fallen einige wichtige geschichtliche Ereignisse, die zum Verständnis der damaligen Situation von Bedeutung sind.
Das Jahr 1949 ist auch das Gründungsjahr der Bundesrepublik Deutschland. Am 25. Mai 1949 tritt das Grundgesetz in Kraft und am 15. September 1949 wird Konrad Adenauer in Bonn zum ersten Bundeskanzler der neuen BRD gewählt. In seiner Silvesteransprache sagte der damalige Bundespräsident Theodor Heuss: „Der Katalog der deutschen Not und Nöte ist unabsehbar“. Das beschreibt am besten die Situation in der sich die Bundesrepublik vier Jahre nach Ende des unseligen Kriegs befand. Insbesondere die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist prekär, denn durch die starken Zerstörungen der Städte durch Luftangriffe ist Wohnraum nur äußerst beschränkt verfügbar.
In Würzburg waren am 16. März 1945 von 27.380 Wohnungen über 21.000 Wohneinheiten, 35 Kirchen und die meisten Kulturdenkmäler durch einen Luftangriff zerstört worden. Mehr als 80 % des verfügbaren Wohnraumes war somit vernichtet. In anderen Städten Unterfrankens, etwa in Schweinfurt, sah es nicht viel anders aus. Zu den Ausgebombten und Fliegergeschädigten, die ihren Wohnraum verloren hatten, kamen noch die Heimatvertriebenen, die ebenfalls Wohnraum benötigten.
Zerstörte Altstadt von Würzburg (1945)
Die Gründung der Genossenschaft
Aus dieser katastrophalen Wohnungsnot heraus gründeten im April 1949 in Schweinfurt 21 Männer die „Baugenossenschaft für Heimatlose“, die vor allem Neubürgern, Evakuierten und Fliegergeschädigten im Wege der Selbsthilfe wieder zu geeignetem Wohnraum verhelfen wollten. Ihr Ziel war es, zunächst innerhalb von 4 – 5 Monaten zehn Einzelhäuser mit je zwei Wohnungen zu 3 Zimmern mit Küche oder Kochnische in Angriff zu nehmen. Der Einheitspreis eines Wohnhauses sollte schlüsselfertig DM 6.000,00 betragen. Der monatliche Mietpreis für eine Wohnung im Erdgeschoß sollte sich auf DM 40,00 und im 1. Stock auf DM 50,00 belaufen. Natürlich muß man diesen Mietpreis zum damaligen Monatseinkommen der Bevölkerung setzen.
Aus einem öffentlichen Aufruf des Gründungsausschusses vom 31. Januar 1949 seien dazu einige Passagen zitiert:
Die katastrophale Wohnungsnot, unter welcher alle Kreise schwerstens leiden, besonders aber die Neubürger, Evakuierten und Fliegergeschädigten, kann durch die bisherigen Methoden der Wohnungsämter nicht gelöst werden. Nur ein allgemeiner sozialer Wohnungsbau mit sozialer Unterstützung von Staat, Land und Gemeinden vermag dieses Problem wirksam zu lindern. Neubürger, Evakuierte und Fliegergeschädigte brauchen dringend menschenwürdige Wohnungen. Die Haus- und Wohnungsbesitzer, die durch einen glücklichen Zufall dieses kostbare Gut über die Kriegskatastrophe hinüber retten konnten, sind durch Wohnungsbeschlagnahmen im Genuß ihres Besitzes arg geschmälert. Nicht dadurch, daß den noch Besitzenden durch Beschlagnahmen Wohnraum weg genommen werden soll, sondern nur dadurch, daß schnellstens neuer Wohnraum erstellt wird, muß die Wohnungsnot bekämpft werden. Es gibt logischerweise nur einen Weg zu dieser Lösung, und das ist der Weg der Selbsthilfe und Mitarbeit aller Kreise unter weitgehendster Unterstützung von Staat, Land und Gemeinden. Demnach müssen alle aufbauwilligen Kräfte im Rahmen einer Selbsthilfeaktion eine Gemeinnützige Baugenossenschaft für den Stadt- und Landkreis Schweinfurt unverzüglich ins Leben rufen“.
Nach der Gründung der „Baugenossenschaft für Heimatlose“ in Schweinfurt sagte Oberbürgermeister Krug die besondere Unterstützung der Stadt durch Bereitstellung von geeignetem Baugelände an der Dittelbrunner Straße und in der Gartenstadt zu. Da dort die Kanalisations- und Wasserleitungsanlagen bereits ausgebaut waren, wurden so in kürzester Zeit 13 Eigenheime auf Erbbaugrundstücken errichtet. Noch im selben Jahr erfolgte die Anerkennung der Genossenschaft durch die Regierung als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen.
Eigenheime in Schweinfurt (1949)
Schwierige Anfangsjahre
Im Jahr 1950 wurde der Schweinfurter Geschäftsbereich nach Würzburg erweitert. In der Arndtstraße wurden 28 und in Zell am Main 52 Wohnungen errichtet (sozialer Wohnungsbau). Weitere Wohnanlagen in Würzburg folgten, und zwar in der Sanderstraße (14 Wohnungen und 2 Gewerbeeinheiten), Ulrichstraße (16 Wohnungen) und in der Weißenburgstraße (16 Wohnungen). Im gleichen Jahr wurde der Sitz der Genossenschaft von Schweinfurt nach Würzburg verlegt und der Name in „Heimbaugenossenschaft für Unterfranken eG“ geändert.
Im Elan der Gründungszeit setzte die Genossenschaft in den Folgejahren ihre rege Bautätigkeit fort, die sie jedoch durch zu geringes Eigenkapital und zu geringe Mieteinkünfte schließlich an den Rand des Ruins führen sollte. Die Folge war ein von der Obersten Baubehörde in München erlassener sofortiger Baustopp für den bereits begonnenen Wiederaufbau des Anwesens Sanderstraße 13. Und auf Drängen der obersten Baubehörde solle die Heimbaugenossenschaft sogar mit einer anderen Würzburger Baugenossenschaft fusionieren und in ihr aufgehen. Dies wurde jedoch von den Mitgliedern der Generalversammlung am 8. Juli 1954 mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Dem neu gewählten Vorstand gelang es buchstäblich in letzter Minute den drohenden Ruin abzuwenden. „Auf Pump“ erworbene Grundstücke in bester Innenstadtlage von Würzburg wurden rasch wieder veräußert um die Gläubiger zu befriedigen. Strikte Sparsamkeit war fortan das Gebot der Stunde.
Sozialer Wohnungsbau in Würzburg, Arndtstraße (1950), Sanderstraße (1951) und Ulrichstraße (1952)
Bautätigkeit und Expansion
Nachdem die finanzielle Konsolidierung erreicht war, konnte die Genossenschaft ihre Neubautätigkeit bald wieder aufnehmen. In den Jahren zwischen 1955 und 1962 wurden in Würzburg weitere 250 Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbau errichtet. Mit neun Stockwerken und 70 Wohneinheiten errichtete die Genossenschaft im Jahr 1964 in der Mergentheimer Straße in Heidingsfeld ihr bis dahin größtes Einzelobjekt und beendete damit gleichzeitig ihre Bautätigkeit auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus. Im Jahr 1970 übernahm die Heimbaugenossenschaft im Wege der Fusion die „Wohnungsgenossenschaft Ochsenfurt“, wodurch sich der eigene Wohnungsbestand nochmals um 60 Einheiten erhöhte.
Als erste Baugenossenschaft in Würzburg betätigte sich die Heimbaugenossenschaft bereits Anfang der sechziger Jahre sehr erfolgreich als Bauträger bei der Erstellung und anschließenden Verwaltung von Eigentumswohnanlagen. Bis Anfang der achtziger Jahre entstanden so rund 200 Wohneinheiten in Gerbrunn und Veitshöchheim.
Sozialer Wohnungsbau in Zell am Main, Austraße (1951)
Neuorientierung – Zukunftsaussichten
In Folge der Aufhebung des mehr als 100 Jahre alten „Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes“ zum 1. Januar 1990 war eine weitere Betätigung als Bauträger nicht mehr möglich. Auch die Verwaltung von Wohnungseigentümergemeinschaften gestaltete sich ab diesem Zeitpunkt wegen des neuen Status „partiell steuerpflichtige Vermietungsgenossenschaft“ zunehmend schwieriger.
In den neunziger Jahren begann die Genossenschaft deshalb den inzwischen in die Jahre gekommenen eigenen Wohnungsbestand sukzessive zu modernisieren. Lag zu Beginn der Schwerpunkt noch darauf bauliche Maßnahmen durchzuführen um die allgemeinen Wohnverhältnisse mittels Einbau von Zentralheizungen und Sanierung von Badezimmern zu verbessern, so nahm der Umfang im Laufe der Jahre immer weiter zu. Immer mehr gewann die Durchführung baulicher Maßnahmen mit dem Zweck dauerhaft Energie einzusparen an Bedeutung. Die finanziellen Aufwendungen für Dämmung von Fassaden und Dächern sowie Erneuerung von Heizungsanlagen sind beträchtlich und nehmen nicht zuletzt aufgrund gesetzlicher Vorgaben weiter zu.
Für die Instandsetzung und Modernisierung ihres Wohnungsbestandes hat die Genossenschaft in den letzten 20 Jahren rund 18 Millionen Euro investiert. Die Finanzierung erfolgte i.d.R. aus Eigenmitteln. Damit auch künftig anstehende Investitionen mit einem hohen Eigenanteil finanziert werden können, hat die Genossenschaft bereits vor vielen Jahren damit begonnen, unretabel gewordene Geschäftsfelder aufzugeben (WEG-Verwaltungen) und sich von nachhaltig defizitären Hausbeständen zu trennen. Mit den hierbei erzielten Erlösen konnte sich die Genossenschaft nahezu entschulden. Darüber hinaus wurde mit der Überlassung genossenschaftseigenen Baugrunds an junge Familien in Erpacht ein zusätzliches finanzielles Standbein geschaffen.
Der hohe Modernisierungsgrad des eigenen Haus- und Wohnungsbestands, die nachhaltig guten Lagen der Immobilienbestände sowie die hohe Eigenkapitalausstattung von fast 80 Prozent stimmen für die weitere Zukunft optimistisch.